Über das Bewohner- und Sozialleben in der Kolonie Alexandrowka
Ein kurzweiliger Vortrag von Thomas Sander
Es ist nicht gerade schmeichelhaft, was Bogislav von Puttkamer, Oberst im 1. Garderegiment zu Fuß, 1865 in einem Aufsatz über die Männer in der Kolonie Alexandrowka schrieb. Demnach seien „sie fast sämtlich dem Trunke so ergeben (…), daß, wenn dies nicht der Fall, es sorgfältig im National angemerkt“ werden müsse. Sie seien an „Arbeit wenig gewöhnt, ohne besonderes Geschick zur Gartenbestellung“ und nicht selten werde bei ihnen „der häusliche Frieden“ gestört.
In der Tat hat der örtliche Aufseher immer wieder die Trunksucht bei vielen Männern in der Kolonie in seinen als „Nationale“ bezeichneten Personalakten protokolliert. Zu den gleichfalls festgehaltenen Folgen gehörte dabei nicht nur die Vernachlässigung der Arbeit in Haus und Garten, immerhin die Lebensgrundlage der Familien, sondern schlimmer noch die häufig auftretenden Ehestreitigkeiten, die nicht selten in häuslicher Gewalt der betrunkenen Männer gegen ihre Frauen mündeten.
Das widerspricht in starkem Maße den romantisierenden Vorstellungen vom Leben in einem „russischen Märchendorf“, deutet aber daraufhin, dass die Anmutung von ländlicher Idylle und realer Lebenswirklichkeit auch in diesem „Musterdorf“ auseinanderzuklaffen pflegte.
Wollte man zu einer gerechteren Beurteilung dieses Phänomens gelangen, so müsste nach den speziellen Ursachen gefragt werden. Warum der Alkoholismus und in der Kolonie und war er damals so einmalig? Diesen und anderen Fragen widmet sich Thomas Sander in seinem Vortrag neben der Geschichte dieses besonderen Ortes, ein Exkurs zu einem nach wie vor wenig beleuchteten Thema.