Man kann es auch so sagen: Unter all den Punk-, Indie- und Psychedelic-Bands der späten 80er, frühen 90er Jahren aus Potsdam, waren Futhark so etwas wie das erste Aufblitzen des Post-Rocks in der Stadt. Nur wenige Jahre existierte das bandübergreifende Projekt, dann war der kurze Ruhm, den ihm eine Reihe Legende gewordener, krachender Konzerte in der Region einbrachten, auch schon wieder perdu. Letztes Zeichen des Wirkens stellte das posthum erschienene, im Selbstverlag herausgebrachte Tape namens „M“ dar. Ein introvertiertes, beinahe melancholisches Werk, dessen gelegentliche cholerische Ausbrüche aus Noise-Attacken und Weltverzweiflungspathos des Sängers sich deshalb umso tiefer ins Gehör frästen. Respektive ins Gedächtnis.
Danach war es still. Sehr lange.
Genauer gesagt bis ins weit entfernte Jahr 2016 als Futhark sich entschlossen, „M“ auf die Bühne der fabrik zu bringen, was nichts anderes bedeutete als die Live-Uraufführung all der Stücke, die zwanzig Jahre früher lowfi im Studio entstanden waren. Wie auf dem Tape dominieren auch live noch immer die Gitarre in all den Facetten, die mannigfaltige Effekt-und Echogeräte hergeben, und zum anderen das erzählerische Stakkato des explosiven Gesangs, der trotz all der vergangenen Zeit noch immer diese berühmte juvenile Wut auf alles und jeden herausbrüllen kann. Aber beide, Gesang und Gitarre, werden 2019 getragen von Schlagzeug und Bass, die mit der stoischen Ruhe eines Uhrwerks aus Ruhla arbeiten, und so die eher frei flottierenden Futhark-Songs, mit eben jener Struktur unterlegen, die es uns leichter macht, komplexe Musik zu genießen.
Worum es bei all dem geht? Keine Ahnung.
Aber wenn ich raten soll: Es geht darum, einen Pfad durchs Dickicht zu schlagen.
André Kubiczek